Erinnern

Am 10.11.2024 haben die Kirchen und weiterführenden Schulen mit einem Gedenkgang an die Verbrechen der Pogromnacht am 09.11.1938 erinnert. Die Grünen Mechernich sind für dieses Engagement dankbar.

Diese Veranstaltung ist nicht nur deswegen aktuell, weil der Antisemitismus weltweit nicht abnimmt – leider scheint er sich wieder zu vermehren – sondern auch, weil schon seit einigen Jahren das, was wir Erinnerungskultur nennen, infrage gestellt wird.

Die abschätzigen Formulierungen sind bekannt: „Mahnmal der Schande“, „Vogelschiss“ oder „Schuldkult“. Nichts davon wird der Wirklichkeit in Deutschland gerecht. An die Stelle unserer Erinnerungskultur soll mehr Stolz treten, auf Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit und das deutsche Kaiserreich. Aber genau hier liegt die tatsächliche Verengung.

Die Geschichte im deutschsprachigen Raum – nur darum kann es gehen, denn ein durchgängiges Reich gab es nicht – ist in der Tat vielfältiger. Denken wir nur an das was läppisch als Dichter und Denker abgetan wird. Das heißt Lessing, Goethe, Schiller, Kästner, Brecht, Hesse und ebenso Kant, Fichte, Hegel, Adorno und das ist nicht mal ein kleiner Ausschnitt der Liste aller, die man aufführen könnte. Was sie eint, ist ein Eintreten für Menschlichkeit und Aufklärung.

Wären sie heute unsere Zeitgenossen, auch sie würden an die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur, samt ihrer Helfer und Helfers Helfer erinnern. Denn es sind genau diese Formen der Humanität und des Bewusstseins dafür, dass auch der Andere ein Mensch mit einer unveräußerlichen Würde ist, die das Werk dieser deutschsprachigen Größen durchzieht und bis in unsere heutige Zeit hinein gilt.

Artikel 1 des Grundgesetzes ist ein Zeugnis dieser Tatsache. Nicht nur ist seine Würde unantastbar, es ist auch völlig gleichgültig, woher der Mensch kommt, denn das Grundgesetz spricht bewusst nicht vom ‚Deutschen‘, sondern vom Menschen allgemein.
Wenn wir also an die unvorstellbaren Verbrechen erinnern, die auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland verübt worden sind, übernehmen wir nicht nur historische Verantwortung, sondern tun dies auch vor dem Hintergrund unserer eigenen aufklärerischen Tradition und der damit einhergehenden Verpflichtung, nie wieder diese Formen der Unmenschlichkeit zuzulassen. Wer dieses Erinnern kleinredet oder gar beseitigt wissen will, bricht mit den vielleicht wertvollsten Gedanken deutschsprachiger Tradition und Kultur.
Wir Grüne stehen zu dieser Verantwortung und werden sie auch in Zukunft übernehmen und unterstützen. Grüne Politik beinhaltet immer auch Erinnerungskultur.

 

Robert Krug

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