Rede unserer Fraktionsvorsitzenden zum Haushalt 2020:
“Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Rat der Stadt Mechernich stimmt dem vorlegten Haushaltsentwurf zu.
So könnte es klingen wenn, tja wenn…
…ein kommunaler Haushalt nicht immer auch eine Art Fahrplan wäre. Wer ihn lesen kann, der weiß, wo es hingehen soll mit einer Stadt.
Der städtische Haushalt macht Planungen deutlich. Er ist die Handlungsgrundlage für Verwaltung und Rat, dient der Steuerung und Kontrolle.
Bürger*innen können sich darin informieren, was mit ihrem Steuergeld passiert.
Der Haushaltsentwurf einer Verwaltung ist daher auch nicht einfach ein Zahlenwerk – er ist ein politisches Dokument, ein Programm und ein Statement – und wir tun gut daran, ihn gründlich zu lesen und auch grundsätzlich zu diskutieren.
Ich möchte hier jetzt gar nicht auf die Handlungsweise der Verwaltung eingehen, die für uns an einigen Stellen viel Unmut auslöste.
Nicht, spät oder unklare Information. Die Presse weiß früher und mehr als die Kolleginnen in den Ausschüssen. Praktizieren von Holschuld an Informationen statt der von uns erwarteten Bringschuld.
Dass Politik bzw. ein Steuerkonzept auf einen Bierdeckel passen muss und Absprachen gerne mal auf Herrentoiletten erfolgen, ja das hat man schon mal gehört. Dass ich aber als Kommunalpolitikerin auf die Einweihung eines Toilettenhäuschen muss um mir dabei notwendige Infos zu holen, statt dass die Verwaltung diese Informationen erwartungsgemäß in Ausschusssitzungen kommuniziert, das war mir neu und möchte ich auch in Zukunft nicht so handhaben müssen.
Aber geschenkt – denn in einem kommunalen Haushalt geht es um was anderes: es müssen Ziele und Strategien deutlich werden – kurz-, mittel und langfristig.
Und genau DAS vermissen wir in diesem Entwurf an vielen Stellen. Sicher, viele Angelegenheiten einer Kommune sind bereits durch Bundes- oder Landesrecht bestimmt.
Ein nicht unbeträchtlicher Teil geht an die Kreisumlage, mit der wir aber auch einiges bekommen. Ein eigenes Jugendamt wäre deutlich teurer, Förderschule und ÖPNV Umlage werden ebenfalls damit bezahlt.
Also Ja, wir können längst nicht über alles selbst entscheiden, was hier in Mechernich so mit öffentlichen Geldern angestellt wird. Was wir aber hier in diesem Entwurf vermissen – das ist der politische Wille, Gestaltungsspielräume zu finden und auch zu nutzen, die einer Kommune zustehen!
Und – er wirft Fragen auf.
Zum Beispiel die Frage:
Wozu, Herr Bürgermeister, brauchen wir dieses immense Wachstum bei der Einwohnerzahl?
Sorgen wir doch erst einmal richtig für die Bürgerinnen und Bürger, die hier schon leben!
Als kleines Beispiel –wir brauchen ausreichend gesicherte Fahrradwege, Bürgersteige die breit genug sind für Kinderwagen und Kleinkind an der Hand (wenn überhaupt mal ein Bürgersteig da ist). Was wir brauchen sind gleichberechtigte Verkehrsstrukturen für Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer! Überall!
Schönes Beispiel auch der Umbau Arembergplatz. Ausreichend Platz für….Autos. Bei Bedarf noch für die Kirmes. Aber eine TankSäule für E-Fahrzeuge ist nicht vorgesehen. Und auch wenn die Stadt grundsätzlich keine aufstellen will, sondern dies den Energieversorger überlässt, behaupte ich, dass sie in Zukunft dort gebraucht werden und somit liegt die logische Schlussfolgerung schon jetzt beim Umbau des Platzes alle erforderlichen Leerrohre etc. hinzulegen doch sehr nahe.
Ebenfalls nicht vorgesehen ist eine Lademöglichkeit für E-Bikes, was eine vergleichsweise Kleinigkeit darstellt, geschweige denn, einer Planung für einen Fahrradstellplatz mit Möglichkeit sein Rad sicher abzustellen.
Wir GRÜNE entwerfen schon seit Jahren Anträge und Ideen, wie wir unsere Stadt für die Menschen grüner und attraktiver machen können. Und mit wunderbarer Vorhersehbarkeit werden diese abgelehnt.
Schottervorgärten zum Beispiel. Da wies doch unlängst Ralph Brinkhaus beim Neujahrsempfang seiner Partei darauf hin, dass die CDU eine Partei der Werte sei und das C dies auch symbolisiere. Seine Kollegen hier vor Ort aber haben dieses Werte C offensichtlich schon lange an der Garderobe abgegeben und setzen lieber auf „Schottervorgärten sind Ausdruck freier Meinungsäusserung“.
Zwei extreme Hitzesommer, unglaubliche Mengen an Menschen, allen voran Jugendliche die auf die Strasse gehen und für Klimaschutz eintreten und in Mechernich diskutiert man gute Anträge die mit wenig Aufwand schon was erreichen könnten -Stichwort Fair Trade City und der bereits erwähnte Vorgartensatzungsantrag- kaputt und tritt stattdessen lieber der Silent Rider Kampagne bei. Is ja auch so praktisch – muss man nämlich nix für tun als ein paar Euro locker machen, unterschreiben und auf nem Foto lächeln. Aber Sie können nicht eine Bürgerin nennen die daraus einen echten Nutzen ziehen kann.
Die zentrale Frage aber: Wie schaffen wir es noch, den von uns mit verursachten Klimawandel einzudämmen, um unsere Zukunft und die Zukunft jener Generation zu sichern, die jetzt so nachhaltig dafür demonstriert, wird in Mechernich gar nicht erst gestellt. Hier wird weiter munter Fläche verbraucht, dass es nur so kracht.
Beispiele? Gewerbegebiet Monzenbend mit derzeit 14,4 Hektar soll um weitere 10 Hektar vergrößert werden. Firmenich Obergartzem als einer DER Siedlungsschwerpunkt schlechthin. Und dort dürfen wir uns dann in absehbarer Zeit mit Feuerfest als Industriebrache vs Neubaugebiet entscheiden. Das ist die vielzitierte Entscheidung zwischen Pest oder Cholera.
Eine von Brechts berühmten Herrn-Keuner-Parabeln geht so:
„Woran arbeiten Sie?“, wurde Herr K. gefragt.
Herr K. antwortete: „Ich habe viel Mühe, ich bereite meinen nächsten Irrtum vor.“
Wir halten es für einen gewaltigen Irrtum, dass die Ausweisung von 10 mal mehr Legoland mit regem Pendelverkehr und all den Problemen die wir jetzt schon auf Straßen und Autobahnen und deren Zubringern in Richtung Großstadt haben, eine Lösung sein soll.
Ebenso für einen Irrtum halten wir es, ein nun bereits recht großes Gewerbegebiet um fast das Doppelte zu erweitern, oder – und da saßen wir Grüne ja auch einem gewaltigen Irrtum auf- 300 Arbeitsplätze für Mechernich in Aussicht zu stellen mit einem Milchwerk was letztendlich
monströs werden wird aber demgegenüber lediglich maximal 20 Arbeitsplätze für Mechernicher bringen kann.
Und, lieber Herr Bürgermeister, sie sagten unlängst „Ja Frau Konias, auch in der Verwaltung der Stadt Mechernich schlägt ein grünes Herz“. Ein weiterer Irrtum. Beziehungsweise wenn da tatsächlich eines schlägt, dann leidet es unter starker Herzinsuffizienz, denn bei all den vielen teils hohen Zahlen, die im Haushalt zu finden sind, macht der Produktbereich „Umweltschutz“ grade mal Null % aus!
Diese Null Prozent sind dann in Zahlen 1.806 tausend Euro. Das sind dann die anteiligen Personalkosten, also ketzerisch gesagt, die Kosten die entstehen, wenn mal eine Bürgerin anruft wegen Feldhamster und eine Mitarbeiterin der Verwaltung sie an die untere Naturschutzbehörde des Kreises weiterverweist.
Ein Millionen Haushalt und Null Prozent Umweltschutz, das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen! Der Fahrplan der Stadt in Form des Haushaltsentwurfs enthält also einen asphaltierten Weg, der in die Denke von vor 30 Jahre führt aber er enthält keinerlei Mut. Mut, den es braucht, um eine gesellschaftliche Verantwortung zu tragen.
Wir können gerne abwägen zwischen ökologischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Belangen. Aber DANN gilt es, mutig Verantwortung zu zeigen, Entscheidungen mutig zu treffen – und diese mutig umzusetzen!
Meine Damen und Herren, mit Michel Friedmanns Worten komme ich zum Ende: „Viele junge Menschen haben in den letzten Monaten wieder Mut. Sie protestieren, sie demonstrieren, sie mischen sich ein, sie regen uns auf, sie regen uns an, sie konfrontieren uns mit unseren Erfolgen und Misserfolgen. Sie verlangen mehr, als wir bisher getan haben. Sie machen uns Mut, auch wieder Mut zu haben. Endlich!“
Und Mechernich? Fehlender Mut beim Klimaschutz, fehlende Ideen im Verkehrssektor, fehlende Konzepte für mehr Natur oder die Herausforderung erschwinglichen Wohnraums in der Stadt!
– das sind dann auch in Summe die Beweggründe der Grünen Fraktion,
den Haushalt 2020 abzulehnen.
Aber dennoch ein Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kämmerei, allen voran Herrn Manz und Herrn Claßen, die uns auch in diesem Jahr wieder einen nachvollziehbaren, leider aus grüner Sicht jedoch nicht beschlussfähigen Haushalt vorlegten.”
Zitat Quellen:
Brecht, Berthold: „Geschichten vom Herrn Keuner“, Suhrkamp Verlag, 1971
Friedmann, Michel: „ Mehr Mut zum Mut“
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