Wildbiene versus Honigbiene

 

Zu dem Artikel „85 Fußballfelder sollen Bienenweiden werden“ erschienen im KStA/Rundschau 10.04.21
In dem Artikel erfahren wir, dass im Zuge des Naturschutzes Herr Müller von Blumencron bis zu 60 Hektar Ackerfläche als Bienenweide umwidmen möchte.
Dies soll als Patenschaft geschehen, welche Bürger:innen ab 200 qm mit 50 Cent pro Quadratmeter eingehen können.
Und zu einer „echten Bienenweide gehören natürlich auch Bienen“, erfährt man in dem Artikel und weiter: „Die werden ebenfalls in der Nähe der Flächen gehalten und der Pate kann zu gegebener Zeit den gewonnenen Honig zu einem angemessenen Preis erwerben.“

Hurra, denkt sich der geneigte Leser, hier wird etwas getan gegen das Bienen und Insektensterben, das ist Naturschutz feinster Güte.

Aber was stirbt denn tatsächlich? Die Honigbiene? Mitnichten!
Hört der Laie „Biene“, denkt er in der Regel ausschließlich an unsere Honigbiene. Die Existenz unserer 560 einheimischen Wildbienenarten, die im Gegensatz zu den Staaten der Honigbiene meist solitär leben, ist vielen Menschen völlig unbekannt.
Leider schützt Unwissenheit nicht vor dem Aussterben. Die Roten Listen gefährdeter Arten erfreuen sich eines ebenso regen wie frustrierenden Zuwachses.
Aus ökologischer Sicht wiegt der Verlust unserer Wildbienen noch schwerer als Ausfälle in den Reihen der Honigbiene. Der einseitige Fokus auf die Honigbiene, sollte daher aus Sicht des Natur- und Artenschutzes deutlich erweitert werden.

Die Honigbiene ist auf Grund ihrer fehlenden Spezialisierung weniger gefährdet als viele unserer Wildbienenarten. Alle Schutzmaßnahmen sollten daher primär den wildlebenden Insekten gelten. Wildbienenschutz nutzt immer auch der Honigbiene, umgekehrt ist das leider nicht zwangsläufig der Fall.

Die ursprünglich als einzige in Mitteleuropa einheimische Honigbienenart, die Dunkle Honigbiene (Apis mellifera mellifera) ist eine robuste Art, die Kälte gut toleriert und sich durch relativ kleine Volksstärken auszeichnet. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Wildbienen und Honigbiene war ausgeglichen und bewährte sich über Tausende von Jahren.

Wie ist das denn nun mit der Honigbiene?
Die einheimische Dunkle Honigbiene (Apis mellifera mellifera) ist heute in Deutschland so gut wie ausgestorben. Wenn wir also von „unserer“ Honigbiene sprechen, meinen wir damit importierte, vielfach gekreuzte Hochzuchtrassen aus verschiedenen Ländern, die genauso wenig natürlicher Bestandteil unserer Fauna sind wie eine preisgekrönte Hochleistungsmilchkuh.

Unsere häufigsten Zuchtrassen sind:
die Italienerbiene (A. mellifera ligustica)
die Kärntener Biene (A. mellifer carnica) und
die Buckfastbiene, eine Kreuzung aus der Italienischen Biene und der einst in Großbritannien heimischen Honigbiene.

Die Honigbiene ist zum Nutztier geworden und wird durch züchterische Selektion auf Leistung getrimmt. Die Völker sind größer, die Honigproduktion hat zugenommen. Wie jede Leistungszucht hatte auch diese ihren Preis und geht mit einer gewissen Degeneration einher. Die Bienen sind anfälliger für schlechte Witterung, Krankheiten und Parasiten. In freier Wildbahn und ohne die Pflege durch die Imkerei sind die Völker in der Regel nicht mehr überlebensfähig.
Auch die Anspruchslosigkeit der Honigbiene im Hinblick auf Pollenquellen, ihre Fähigkeit weit entfernte Trachten zu nutzen, der Informationsaustausch über Futterquellen (“Tanzsprache”) und ihr plötzliches, massenhaftes Auftreten in einem Gebiet durch den Transport der Völker verschaffen ihr Vorteile.

Und die Wildbienen?
Die meisten Wildbienen leben solitär. Die Weibchen bauen ihre Nester allein und versorgen ihre Brutzellen ohne die Hilfe von Artgenossen. Nur die Hummeln, sowie einige Arten der Furchenbienen, besitzen eine soziale Lebensweise ähnlich der Honigbiene.
Wildbienen haben eine Lebensdauer von 4-6 Wochen, ein Bienenstock ist die ganze Saison aktiv und kann Schlechtwettereinbrüche mit Hilfe der Vorräte im Stock abpuffern.
Wildbienen ernähren sich ausschließlich von Nektar und Pollen. Das Besondere dabei ist: viele Wildbienenarten sind auf die Pollen einer ganz bestimmten Pflanzenfamilie oder Gattung angewiesen. Das nennt man dann Oligolektie (Pollenspezialisten). Die oligolektische Arten haben kaum Ausweichmöglichkeiten, wenn ihre Trachtpflanze auch
durch die Honigbiene genutzt wird.
Besitzen sie keine Präferenz (so wie die Honigbiene) dann nennt man sie polylektische Arten.
Das dramatische Wildbienen-Sterben (derzeit circa 560 Arten) geschieht nahezu im Verborgenen.
Die rasante Zunahme bebauter Flächen und eine intensive Landwirtschaft führt zur Reduktion eines kontinuierlichen Blütenangebotes über das ganze Jahr. Überhöhte Honigbienendichte einerseits und ein Mangel an Pollen und Nektar und geeigneten Niststrukturen andererseits führt nun zu einer Nahrungskonkurrenz zwischen Honigbiene
und Wildbienen.
Ein Bienenvolk sammelt durchschnittlich 25 kg Pollen im Jahr. Diese Menge würde rein rechnerisch für die Versorgung von 134.000 Brutzellen der Rostroten Mauerbiene (Osmia bicornis) ausreichen, die im Schnitt 187 mg Pollen pro Brutzelle einträgt.

Und jetzt?
“Bienenschutz” sollte nicht ausschließlich auf den “Honigbienenschutz” reduziert werden, sondern sollte vielmehr als Natur- und Strukturschutz verstanden werden, der alle Arten fördert.

Alle Maßnahmen, die dazu beitragen, die Strukturvielfalt unserer Landschaft zu erhöhen und zu einer blüten- und artenreichen Vegetation beitragen, müssen verstärkt gefördert werden. Diese Maßnahmen nützen immer auch der Honigbiene und entzerren damit die Nahrungskonkurrenz zu unseren Wildbienen.

Und warum jetzt viele Worte zu dem im Artikel erwähnten Ansinnen der Einrichtung von Bienenweiden?
Das Wissen um den Rückgang der Wildbienenarten und des Unterschiedes dieser zu den Honigbienen sollte den Fokus auf den Schutz der Wildbienen legen.
Wenn Bienenweiden angelegt werden und der Hinweis direkt dazu erfolgt, dass 50 Bienenstöcke (oder mehr) dazugestellt werden, dann dürfte klar sein, dass es hier um einen eher kommerziellen Grundgedanken geht. Denn bei einem Bienenvolk, dass je nach Größe und Wetterbedingungen zwischen 20 und 30 Kilo Honig bringen kann (und direkt an der Nahrungsquelle kann dies auch schnell mal das Doppelte sein), dann wären dies bei 50 Völkern ungefähr 1250 Kilo Honig. Bei einem (eher sehr niedrig angesetzten Preis) von 4,00 Euro pro Glas wären das schon 10.000 bis 20.000 Euro. Addiert zu den Einnahmen von 300.000 Euro durch die Patenschaft und abzgl. Kosten.
Ja, so rechnet sich Landwirtschaft und Nutztierhaltung.

Es ärgert einfach, wenn hier unter dem Deckmantel von Naturschutz und Bienenschutz letztendlich nur Greenwashing betrieben wird.
Bei Ansaaten und Pflanzungen sollte ein Hauptaugenmerk nicht auf profitable Trachtquellen für die Honigbiene gerichtet werden, sondern auf die Bedürfnisse möglichst vieler Insektenarten. Als Pollengeneralist kann die Honigbiene ihre Trachtpflanzen frei wählen, die Pollenspezialisten unter unseren einheimischen Wildbienen haben diese Wahlmöglichkeit nicht.
Und neben einer Weide für Wildbienen haben Bienenstöcke zur Honigproduktion einfach nichts verloren.

M. Konias bei seiner Leidenschaft.
Mittlerweile betreibt die Familie die Imkerei in der vierten Generation (Foto: T. Konias 1995)

P.S.:
Wünschenswert wäre die gezielte Wiedereinbürgerung der ursprünglich bei uns heimischen Honigbienenrasse, der Dunklen Honigbiene (Apis mellifera mellifera), die im Gegensatz zu den zahlreichen, eingebürgerten Zuchtrassen optimal an unsere Lebensräume angepasst ist.

Einen Überblick über für Wildbienen wichtige Pflanzen:
Sommer-Adonisröschen, Acker-Hundskamille, Färber-Kamille, Schwarznessel, Graukresse, Acker-Ringelblume, Wiesen-Glockenblume, Rapunzel-Glockenblume, Kornblume, Rispen-Flockenblume, Saat-Wucherblume, Wegwarte, Acker-Rittersporn, Grüner Pippau, Wilde Möhre, Gewöhnlicher Natterkopf, Färberwaid, Wiesen-Margerite, Flachs, Moschus-Malve, Geruchlose Kamille, Echte Kamille, Strahlen-Breitsame, Klatschmohn, Gewöhnliches Bitterkraut, Färber-Resede, Hederich, Nelken-Leimkraut, Gelb-Senf, Acker-Senf, Wiesen-Bocksbart, Kuhkraut, Großblütige Königskerze, Mehlige
Königskerze, Wildes Stiefmütterchen

Quellen und weiterführende Literatur:
Stefan Evert: “Interspezifische Konkurrenz zwischen Honigbienen (Apis mellifera) und solitären Wildbienen
(Hymenoptera Apoidea)”.

Haselböck, A.: „Nahrungskonkurrenz Honigbiene vs. Wildbienen und andere Bestäuber. (und warum das
„Honigbienensterben“ ein anderes Thema ist als das Insektensterben)

Scheuchl, E. & Schwenninger, H. R.: Kritisches Verzeichnis und aktuelle Checkliste der Wildbienen Deutschlands
(Hymenoptera, Anthophila) sowie Anmerkungen zur Gefährdung. Mitteilungen des Entomologischen Vereins
Stuttgart 50, 3–225 (2015).

Dr. Westrich: www.wildbienen.info in Buchform

Dr. Westrich: „Wildbienen – die anderen Bienen“ und „Die Wildbienen Deutschlands“.

Zurbuchen, A. & Müller, A.: Wildbienenschutz. Von der Wissenschaft zur Praxis (Haupt, Bern, 2012).
Honigbiene versus Wildbiene – Wildbienenschutz im Naturgarten (naturgartenfreude.de)

Konkurrenz Wildbienen – Honigbienen › Wildbienen Wildbienen vs Honigbienen? (wildbienen.de)

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